Montag, 18. November 2013

Kelis - "Kaleidoscope" (1999) - unabhängige Kritik.

Okay, wie vielleicht mittlerweile - und vor allem nach dieser HiphopHurrah-Radiosendung - auch der hinterletzte Slyme mitbekommen haben sollte, ist euer Junge Ike da Streezy ein großer Befürworter von ca. allem was das Produzententeam The Neptunes in den jahren 1999 bis ungefähr 2013 gemacht haben.
Um es abzukürzen: Ich bin sehr großer fan.
Natürlich haben Pharell und Chad speziell in den frühen 00er Jahren enorme Erfolge feiern können, denn ihr unverkennbarer Trademark-sound und dieses gewisse innovative Moment, was ihren Produktionen jeweils anheftete, verhalfen ihnen zu Superstardom und nicht zuletzt einem sicher reservierten Platz in der ewigen Hiphap-Hall-Of-Fame.
Und doch passierten über die Jahre, unter den vielen Projekten, bei denen die Neptunes für zumindest die Produktionen verantwortlich zeichneten, einige Dinge, die ich bis heute nicht ganz verstehe.
Bis heute dabei ganz weit oben auf der Liste der Mysterien:

Warum zur Hölle ist Kelis nicht so sehr durch die Decke gegangen wie sie durch die Decke hätte gehen müssen!?

Ich hatte stets das Gefühl, dass Kelis, mittels ihres gottgegebenen Charismas, ihres Aussehens und natürlich nicht zuletzt ihrer leicht gewöhnungsbedürftigen aber dafür umso wiedererkennbaren Stimme durchaus das Potential gehabt hätte, nicht nur im Club- sondern vor allem auch im allgemeinen Pop-Bereich auf Beyonce-Level zu competen. Für euch kids da draußen: Das heißt richtig krass durchzustarten.
Nun ließe sich sicher dennoch argumentieren, dass Kelis ja durchaus ihren fair share of Erfolg gehabt hat, aber, zur Hölle, das reicht mir nicht!
Kelis' Mucke war absolut großartig, neu, unverbraucht, progressiv, tanzbar, quietschbunt, und entbehrte jeglicher R&B-Diva-Attitüde oder überflüssig-konservativem Mief.
Was ist also schiefgelaufen, fragte ich mich...und vor allem:
Lässt sich der verhältnismässig moderate Erfolg durch den sound, also musikalische Gründe...oder möglicherweise vielmehr durch alle erdenklichen anderen Faktoren erklären?

Um dieser Sache - vielleicht ein für alle Mal - auf den Grund zu gehen, starte ich hiermit höchst-feierlich die Kelis Rogers appreciation weeks, in denen ich mich jeweils durch die Kelis-Alben reviewe, um möglicherweise Hinweise auf eine hinreichende Beantwortung der Forschungsfrage zu bekommen...

Los gehts dann dieses Mal - ich gehe natürlich chronologisch vor - mit dem Erstlingswerk von Kelis, dem Album "Kaleidoscope" erschienen im Dezember 1999.

Wie ihr es aus meinen bisherigen Albenkritiken kennt, widme ich mich erstmal kurz dem Albumcover:




Puh....wow. Also...tja was soll ich dazu groß sagen? Ich halte das Ding immernoch für ein ziemlich großartiges Cover, ein schönes Cover, welches man sich auch gut in der Vinylversion an die Wand hängen kann oder sonstwas.
Mal all sexyness und bodypainting-kram aside, kann man aber auch noch einen Schritt weiter gehen, und in dem Bild eine Visualisierung der Soundästhetik des Albums feststellen; so wird hier nüchternes, einfaches und Trockenes (Hintergrund) mit übersprudelnder Energie, Diversität und, äh, Farbenpracht verbunden...aber zu dem Ansatz vielleicht später mehr, wenn wir uns tatsächlich mit dem musikalischen Inhalt beschäftigen.
Wie hinlänglich aus meinen anderen Reviews bekannt, widme ich mich nun zunächst den Singleauskopplungen des Albums, und, hm, da gibt es einige interessante Dinge festzustellen, die möglicherweise noch wichtig sein könnten.

Die erste Vorab-Single zum Album kam bereits im September 1999 auf den Markt, und zwar das mächtige "Caught Out There" [die meisten werden diese Single besser und dem von Kelis auf dem Track geschrieenen passus "I hate you so much right now!" kennen - Anm. D. Red.] Hier der Lachs plus Video:


Kelis - Caught Out There from Gombos Robert on Vimeo.

Hm, okay, also inhaltlich geht es eigentlich um das Übliche: Typ hat Frau betrogen, Frau ist sauer. Punkt. Nuffin special eigentlich, aber die sehr unverblümte und schnodderige Vortragsweise eben dieses Themas ist das, was den Unterschied macht.
Darüber hinaus - und das ist sowieso das alles entscheidende Kriterium bei all things Kelis - ist die Produktion absolut göttlich. Der Beat knallt. Ein Neptunes Brett aus der besten Zeit, sozusagen.

Der wichtige Punkt an dieser Stelle ist: Wider erwarten ist diese Single in den USA NICHT durch die Decke gegangen. Ich wiederhole: Sie ist NICHT durch die Decke gegangen [damit auch Blogger-Kollege Fionn das mitkriegt und endlich glaubt - Anm. D. Red.].
Ist nur irgendwo auf Platz 50+ am rumdümpeln gewesen.
Wa-fucking-rum?!
Nun.
Das kann man so schnell und vor allem mit einem singulären Erklärungsansatz nicht beschreiben.
Es scheint vielmehr wichtiger zu sein, gut zu beobachten was sonst noch passiert ist:

Wikipedia teilt mir mit, dass die Single in Europa viel besser ankam, speziell in den Niederlanden und vor allem in England, wo der Lachs in kürzester Zeit zum Kult-Hit avancierte.
Was ist da passiert? Was zur Hölle? Dimension aus Chaos und Gewalt!? Whut da fuxx up...
Naja, weiter im Text:

Als 2. Single wurde dann schließlich einer der Meinung mach absoluten standout-tracks des Albums ausgekoppelt, und zwar "Good Stuff", mit einem klitzekleinen frühen Feature-Part von meinem Mann Pusha T, oder, wie er hier noch in den Credits erscheint, "feat. Terrar".


Kelis - Good Stuff von Drunken-Li-Dragon

Also meiner Meinung nach ist das Ding wirklich die single des Albums...wenn das Teil, mit einem genickbrechendem Spektakel von einem Neptunes-Instrumental im Schlepptau, nicht angemessen chartet und den langfristigen Erfolg der Kelis Rogers für viele years to come zementiert, dann...ja dann weiß ich auch nicht weiter....
und was ist passiert?!
DAS DING IST NICHTMAL IN DIE BILLBOARD TOP100 GEKOMMEN!!! DAMN!

Der Lachs lief sogar noch schlechter in den USA als "Caught out there"...unfassbar, und auch in Europa war der UK-Markt wieder der einzige, welcher die Brillianz und die Genialtität dieses Release erkennen konnte, indem "Good Stuff" in die Top20 kam. Gut gemacht, verfluchtnochmal!

Über die dritte single, "Get Along With You", eine quasi-Ballade, und meiner Meinung nach eine der etwas schwächeren Nummern vom Album, will ich hier gar nicht viel Worte verlieren. Diese Single kam nach dem Album raus, und, wen wundert's an diesem Punkt noch: Chartete ebenfalls nicht in die Top100 in den USA, und auch im UK war die Rezeption dieser Nummer eher verhalten, zumindest im Vergleich zur Euphorie, welche die anderen beiden singles begleitete.


Puh.
Ziemlich merkwürdig das alles.
Wie konnte das passieren? Das ganze war sicherlich auch ein herber Rückschlag für Kelis und nicht zuletzt auch die Neptunes, die möglicherweise genau in diesen Situation zumindest Zeitweise auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt wurden, und auch ihr jüngst gegründetes Star Trak Labels nicht mehr für einen solchen Selbstläufer halten konnten.

Naja, aber nun zum Album selbst (welches sich im übrigen auch lediglich 290.000 mal verkaufte, und damit als, äh, "flop" gehandelt werden kann...uff...).
Dazu will ich euch zunächst wieder ein kleines selbst gemixtes Snippet zum Anhören geben, damit ihr während des lesens nachvollziehen könnt, wovon ich rede - pretty neat, huh? - hier, anklicken & abficken plz:


Jo, also, zurück zum Thema:
Das Album ist für meinen Geschmack ein ziemlich großartiges Pop-Album; die Neptunes-Produktionen, mit denen hier alles steht und fällt, sind noch eine gute Prise reduzierter und aufs absolut wesentliche gestrippter als bei ihren zeitgenössischen anderen Produktionen. Nur knallharte drums, das eine oder andere Percussion- oder ein sonstiges Sound-Element, ein Synthie-gefiepe hier und da, eine Killer-Bassline, rums-bums, fertig ist der treibende, zwingende Sound, den Kaleidoscope so einzigartig macht.
Dieser Umstand erwirkt, dass die Instrumentals mit der sehr interessanten Vortragsweise von Kelis eine sehr intensive, schwer fickbare Symbiose eingehen, die zu keinem Zeitpunkt zu cheesy, zu abgedroschen, und - der meiner Meinung nach wichtigste Punkt - nie wie altbackener R&B nach Schema F klingen.


Das Themenspektrum von Kelis ist hingegen relativ schnell abgesteckt: Liebe hier, Flirtation da, Sehnsucht & Eifersucht dort. Alles nichts neues, aber wie gesagt alles vorgetragen in einer sehr dynamischen, hungrig-jugendlichen Weise (man bedenke dazu auch, dass Kelis zum Zeitpunkt der Aufnahmen des Albums gerade mal 19 Jahre alt ist...).
Achja, an der Stelle noch eine kurze Bemerkung zum Thema writing credits, bzw. zu der Frage, ob Kelis ihre Songs selbst geschrieben hat:
Also Kelis Rogers wird bei einigen, wenn auch nicht allen Tracks des Albums, als writer gecredited, wohingegen Pharell (und Chad!?!) bei allen Tracks als "Writer" gelistet werden.
Der Punkt ist: Diese Dinge sind, so meine Erfahrung mit dem Thema, stets recht diffus, und nicht so mir-nix-dir-nix erklärbar. Ich bezweifle natürlich, dass Kelis mit ihren 19 Jahren mal eben alle Sachen selber geschrieben hat, aaaber ebenso bezweifle ich, dass Pharell und Chad jeden Track geschrieben haben. Was ich nur sagen will, ist: Vorsicht bei den "written by"-credits. Dieser Sache kann man nie in vollem Umfang trauen.

Zu den features: Die Gastbeiträge auf dem Album sind 1.) nicht viele, und 2.) mit Bedacht gewählt. Natürlich säuselt Pharell auf einem Track mit Kelis um die wette, und natürlich ist - wie bereits erwähnt - Pusha/Terrar als obligatorischer Rap-dude mit dabei...aber ansonsten ist das ganze ein recht überschaubare, klar Kelis-Rogers-zentriertes Unterfangen.
Das ist auch gerade deshalb erwähnenswert, meiner Meinung nach, weil in dieser Zeit, nämlich um die Jahrtausendwende, die schlimmen "R&B-Olle-plus-Rap-Onkel"-Tracks ziemlich überhand nahmen: Ob Ashanti, J-Lo, Destiny's Child, you name it....alle hatten sie ihre Fat Joes, ihre Ja Rules, ihre Jadakisses usw. usf. mit mindestens einem kleinen 8-Zeiler hier und da.
Nicht so hier.
Dieses Album ist so gesehen ein ziemlich straightes Pop-Album einer R&B-Sängerin...und doch hat das ganze durch die Neptunes-Involvierung einen starken Club-Anstrich, keine Frage.


Vielleicht ist auch das einer der Gründe warum das Album die Leute offenbar letztendlich überforderte:
Die Zeiten des klassischen 90er-R&Bs, welcher sich wiederum der klassischen 90er-HipHop-Ästhetik bediente, waren endgültig vorbei, und das Publikum war offenbar doch wieder eher auf der Suche nach Balladenlastigem und slow-jam-Material von klassichen R&B-Diven, und war schlicht noch nicht bereit für diesen erneuten clubtauglichen R&B-Ansatz (sofern nicht gerade irgendwelche Rapdudes auf den Songs gefeatured wurden...).

Doch allen finanziellen Rückschlägen zum Trotz hat Kelis, wie wir heute wissen, nicht aufgegeben mit dem Muckemachen, und so wird es sicher interessant zu beobachten sein, wie sich die Musik und natürlich auch die overall-presentation des Produkts beim 2. Album ändern würde.
Aber bis dahin hier erstmal die schlussendliche Bewertung des Debutalbums "Kaleidoscope"...:



Fünf Alberto Del Rios mag etwas fanboy-mässig übertrieben klingen, aber: Kaleidoscope ist für mich wirklich eins der stärksten Kelis-Alben überhaupt. Gerade weil es sich um das Debut dieser Künstlerin handelte, respektiere ich den sehr kompromisslosen Ansatz dieses Albums: Kein Effekt, kein sound, keine Melodie zu viel...alle Tracks sind sehr sehr reduziert auf die wesentlichen und wichtigen Elemente. Die progressive Kraft dieses Albums ist meiner Meinung nach kaum zu unterschätzen.
Es bleibt natürlich spannend, wie sich Kelis' sound  nach dem finanziellen Miserfolg des Albums ändern würde...also stay tuned oder so.


So.
Das war's also erstmal zum Debutalbum von Kelis, ...nächstes mal geht's mit "Wanderland", dem (spoileralert!) quasi sagenumwobenen und wenig bekannten Nachfolgeralbum weiter, 
bis dahin bleibt chilly chill und zieht euch vielleicht bei Interesse meine weiteren Reviews und meinetwegen auch allen sonstigen Quatsch auf diesem Blog rein...bis denne yo!

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