Freitag, 28. Mai 2021

6. Edition Theoriehammer: Vampire machen das Spiel kaputt.

 Hey Freunde des Internets,


ich befasse mich hier und heute mit einem enorm heißen Eisen (no homo), mit einem Sachverhalt den viele andere in die Jahre gekommene Warhammer-Enthusiasten nichtmal mit 'ner Kneifzange anfassen würden...:

Vampire sind viel zu stark.

Yeah I said it.

Ich weiß schon, ich weiß schon...Untote sind ein mainstay in der Hintergrundgeschichte einer jeden ambitionierten Fantasy-Welt, und schon allein deshalb gibt es eine große und einflussreiche Lobby, die immer dafür sorgen wird dass Untote/Vampire entsprechend mächtig dargestellt werden. Zumal für frühere Inkarnationen dieser Fraktion (Armeebuch Untote, 4./5. Edition, Armeebuch Vampire, 5. Edition) genau das gleiche galt (viel zu stark!).
Seh ich.
Versteh ich.

 

Nur: In der damals noch vergleichsweise jungfräulichen und jungen/frischen/unverbrauchten Warhammerwelt  der 6. Edition [mind you: Vor dem Armeebuch Vampire erschienen lediglich das Imperium, Orks & Goblins und Zwerge... - Anm. d. Red.] wurde die externe Spielbalance durch die Veröffentlichung des Armeebuch Vampire wie von einem Hammerschlag getroffen.

Warum? Warum fragt ihr? Puh...wo soll ich da anfangen.

Let's talk armeespezifische Sonderregeln:

Die Armee ist untot.
Das ist in der kompetitiven Spielrealität mehr Segen als Fluch (no pun), denn:

Lebendige Armeen verfügen stets über die Option des strategischen Rückzugs, aka können nach belieben wählen ob ihre Einheiten vor Angriffen zurückfallen und sehen sich in vielen Situationen mit psychologischen Effekten konfrontiert, die wiederum unfreiwillige Rückzugsbewegungen zur Folge haben können.
Das ist ein wichtiger grundsätzlicher Bestandteil der Taktik einer jeden Warhammerpartie, denn um dieses Element herum werden der gegnerischen Armee Fallen gestellt, Flanken verweigert, Einheiten aus dem Spiel genommen. The whole shabang.

Diese Möglichkeiten haben untote Armeen (bis auf ein paar wichtige Ausnahmen) nicht. so sad.

Das Problem jedoch ist, dass dieser Umstand spieltechnisch durch absolute Voraussagbarkeit kompensiert wird.
Der Spieler kann zwar nicht optieren zu fliehen, kann dafür aber genaustens vorausberechnen, wann welches Ereignis im Verlauf des Spiels eintreten wird, denn: Seine Einheiten laufen niemals weg. Nicht aus einem Nahkampf, und nicht aus sonstigen Gründen. Wann, wie und unter welchen Umständen also eine bereits im Nahkampf befindliche untote Einheit durch eine andere untote Einheit unterstützt wird (lies: Gegenangriff), kann der Vampirspieler genaustens planen und in Ruhe alle Vorkehrungen treffen.

uh, heinrich van kemmler - next level meanmuggin.

Dieser Design-Ansatz ist im Grunde sehr, sehr cool. Dadurch wird das Bild der wankenden und rastlosen sowie hirnlosen Toten, animiert durch den bösartigen Intellekt ihres Meisters perfekt. Während gegnerische Armeen in Panik davonlaufen und unvorhergesehene Effekte die Kämpfe, nunja, "lebendig" werden lassen, ist die Schlacht für den Vampirspieler nichts als kalte Berechnung und Kalkül, ohne Emotion, ohne Überraschungen.
Wo entsteht nun also das Problem?

Easy:
Die Kalkulierbarkeit der Schlachtfeld-Performance einer Armee der Untoten wird der Theorie nach dadurch limitiert, dass der Spieler nur vergleichsweise schwache Einheiten zur Verfügung hat. In einer Vampirarmee sind traditionell die (kämpfenden) Charaktere unfassbar mächtig, aber die henchmen, die Fußsoldaten, der Kern der Armee...ist, naja, ziemlich unterdurchschnittlich.
Das klassische Skelett- oder auch Zombieprofil legt über diesen Ansatz seit jeher Zeugnis ab:
Die meisten Truppen verfügen über geringes Kampfgeschick, geringe Stärke, schlurfen langsam vor sich hin.
Natürlich gibt es auch hier seit jeher Ausnahmen [denn was wäre eine Armee in der nur die Charaktere den kämpfenden Part übernehmen, ähem...ja. - Anm. D. Red.], wie zum Beispiel Fluchritter/Verfluchte, und so weiter.
Dann gibt es natürlich noch ein bisschen stilvollen Schnickschnack, wie z.B. Geister/Gespenster/Banshees...also körperlose Wesen, oder aber schnelle taktische Elemente (Bats, Wolves, etc.).
Das durchgängige Problem in diesem Armeebuch sind aber nicht die Truppenvielfalt, sondern schlicht und ergreifend die Punktzahlen.

 
Hierbei fallen mir Vampirfledermäuse immer wieder besonders negativ auf: Wieso kosten die nur 20p?
Sollten die nicht locker 30p kosten?
Wir haben hier eine Einheit Kriegsmaschinenjäger, die nicht weglaufen wenn man sie beschießt, die man selbst in der kleinsten Einheitengröße (3 Modelle) nicht mit einem einzelnen Feuerball weg bekommt, und die vor allem im Nahkampf mit Kriegsmaschinenbesatzungen nicht aufgerieben werden.
Mit 2 Attacken 2 LP pro Maus.
Und das soll 20p wert sein? Wie bitte?
Gargoyles etwa kosten 15p, haben nur 1 Attacke, 1 LP, sind mit ca. 2 Modellen nutz- und wertlos. Werden nicht nur aufgerieben, sondern machen einfach "plopp" nach einem verlorenen Nahkampf und sind weg. Ja, selbst Kriegsmaschinenbesatzungen können 3 verbliebene Gargoyles besiegen.
3 V-Fledermäuse jedoch nicht. Die bleiben da wo sie sind. Pech gehabt.
Ein anderer naheliegender Vergleich wären Kreischer des Tzeentch; Ebenfalls 2 LP, etwas bessere (defensive) Werte, aber im damage output absolut vergleichbar. Ebenfalls Angst verursachend, ebenfalls nicht fliehend. Aber eben absolut aufreib-/instabilisierbar, und dabei locker 13 Punkte teurer.
Ach...außerdem nicht zu vergessen: Sowohl Gargoyles als auch Kreischer gelten als sehr beliebte weil versatile Einheiten innerhalb von Chaos-Armeen, und sind beide mit einer absolut nachvollziehbaren 0-1 Limitation versehen.
Vampfläuse nicht. [...].
Von denen kann man also locker 3 x 8 Stk stellen, um dem Gegner jeglichen Spaß an Warhammer zu nehmen, und weil sie viel zu billig sind, kann man drumherum immernoch locker eine superknackige Vampirliste schustern. There you go!
Noch ein Vergleich nötig? Kein Thema:
Harpyien der Dunkelelfen verursachen keine Angst, rennen davon wenn man sie anhustet (können deshalb nichtmal als LoS-Blocker genutzt werden, ohne sie zu opfern), haben 2A S3 wie eine Vampflaus, aber eben nur 1 LP.
6 von den Frolleins kosten ziemlich genauso viel wie 4 Vamp-Fläuse. Wie kann das sein? Die Harpien verlassen das Spielfeld sobald ein Feuerball oder eine Pfeilsalve sie trifft (und 2 oder mehr fallen)...wärend die 8 Lebenspunkte der 4 Fledermäuse darüber nur müde lächeln, und in der Folge munter an Kriegsmaschinen rumknabbern oder sonstwas. Weil untot. Kein Problem.
Und falls jetzt aufmerksame Mitleser entgegnen: "Ja aber...das kommt auch immer auf den Armeekontext, also auf die interne Balance an, Eike!"- tja, sicher, klar!
Nur...Kriegsmaschinenjäger sind Kriegsmaschinenjäger - es gibt Völker denen tun Kriegsmaschinen ganz doll weh (Chaos, Dunkelelfen...elitearmeen im allgemeinen) - und welche, die juckt das wenig (untote). Warum hat nun der Untotenspieler ironischerweise die besten Kriegsmaschinenjäger? Mir leuchtet ein, dass etwa Chaos-Armeen keine Patentlösung gegen Kriegsmaschinen haben sollten, eben weil das ihr eingebauter und zu kalkulierender Schwachpunkt ist - das ist Teil der Herausforderung. Aber warum sollten dann wiederum Untote eine absolute no-brainer-Lösung gg Kriegsmaschinen in petto haben? Vor allem weil die entsprechenden Einheiten nach getaner Arbeit eben auch noch andere Einsatzgebiete haben.


Was ist mit Ghoulen?
Jeder schimpft auf die supernervigen und potenziell spiel-brechenden skirmisher der späteren Armeebücher, wie etwa Dryaden, Skinks, meinetwegen sogar Gor-Herden - aber Ghoule waren schon op bevor es en vogue war. Mit Plänkler, 2 vergifteten Attacken, W4 und Angst UND sollten sie locker 10-11p kosten - völlig ungeachtet der anderen Werte (spielen keine Rolle). Aber nein, weit gefehlt! Sie kosten 8...in Worten: ACHT Punkte. Was zum...?!?
Ein völlig nutzloser Barbar mit leichter Rüstung und Schild kostet ungefähr so viel...oder ein Dunkel-/Hochelfenkrieger, oder sonstwas.
Und zu allem überfluss...sind Ghoule eine nicht limitierte Kerneinheit. That's right: 3 kleine Einheiten davon und du hast deinen Soll für 2000p erfüllt - so du denn möchtest.

Mark Gibbons' Ghoule sind ziemlich buffed und roidy - ein prophetischer Ausblick auf ihre Inkarnation in der 6. Edition?
 
 
Ich könnte jetzt mit Dire Wolves weitermachen (ebenfalls locker 2 Punkte zu billig und ebenfalls eine Kerneinheit, etc. etc. pp.) aber ich erspar euch das ganze.

Long story short:
Alle strategischen Elemente einer Vampirarmee (KM-Jäger, Plänkler, Flankeneinheiten, Kavallerie, Umlenker, Beschussschirme, und und und) sind hoffnungslos zu günstig und zu gut.
Das einzige in einer Armee der Vampire, was nicht hoffnungslos zu günstig sondern nur normally priced ist...ist die Schwarze Kutsche. Oh it's true.

 

An den klassischen Blöcken von Zombies und Skeletten und Verfluchten (zu Fuß) lässt sich, was das balancing angeht, kaum was aussetzen:
Zu sehr würde hier durch Punktekorrekturen die interne wie externe Balance leiden.
Wir sehen außerdem überdeutlich am Beispiel Gruftkönige Von Khemri:
Man kann es hinkriegen.
Die Punktkosten/Sonderregeln für Skelette (in allen Varianten) sind die gleichen; allein weil die Desinger eeeetwas mehr auf die Punktkostenrelationen und Limitationen der spezialisierteren Einheiten (Todesgeier, Berittene Bogenschützen, Skorpione, Ushabti, Streitwagen etc.) geachtet haben, fügen sich Khemri-Armeen wesentlich besser in die bestehenden Armeen der 6. Edition ein.


Zum Teil liegt das natürlich daran, dass die eher moderat unterstützende und wenig destruktive Magie der Gruftkönige/Priester wesentlich weniger Druck aufbaut als die schlicht und ergreifend übertrieben brutale Nekromantie.
Nekromanten kosten fast nix, haben die beste Magielehre des Spiels (point blank period) und - nicht zu vergessen - haben Zugriff auf einige unerhört mächtige magische Gegenstände, die ebenfalls allesamt undercosted sind.
Dadurch werden die Kerntruppen freilich weiterhin aufgewertet (Bewegungszauber, Erschaffungszauber, etc. pp.), was sich kaum in Punktkosten berechnen ließe...es sei denn:
Man würde konsequenterweise die Nekromanten teurer machen.
Aber nein. Türlich nicht. Wieso auch?

Tja das ist schon ne Menge Holz.
Needless 2 say dass sich Vampir-Armeelisten in der 6. Edition quasi von selbst schreiben.
Völlig egal was man wie wo und in welcher Anzahl aufs Feld stellt - man hat immer recht gute Karten. Man kann völlig gedankenlos jede Einheit und jedes Charaktermodell des Buchs spammen wie blöde, und trotzdem nicht schlecht dastehen.

Die Blutlinien der Vampirfürsten waren natürlich eine sehr coole Erweiterung gegen Ende der 5. Edition von Warhammer; diese Differenzierung zwischen unterschiedlichen Vampirfamilien war eine fast nötige Neuerung, kam doch im Bereich der Einheiten (welche innerhalb der 4./5. Edition eh eine, äh, untergeordnete Rolle spielten) nur wenig Neues dazu seit dem Split der "Untoten".

Problem an der Sache war leider (wie immer) : Alle Extras und Boni durch die Blutlinien waren viel zu mächtig.
Ein blanko-/vanilla-Vampir war bereits ein kaum überwindbarer Brocken für so ziemlich jeden Gegner...aber die weitere Zuspitzung auf bestimmte Attribute (Nahkampf, Support, Mobilität, Zauberei, Psychologie) setzte dem ganzen noch die Krone auf.
Diese shenanigans setzten sich in der 6. Edition fort, in welcher (trotz massiver Einschnitte bei allen möglichen Charakteren) sich die Vampire der einzelnen Blutlinien als unfassbar mächtig und/oder abusable heraus stellten.

Finde ich seit jeher enorm Schade, und halte die Blutlinien für eine verpasste Chance:
Analog zu etwa dem Mal der Chaosgötter hätten die Blutlinien für ein paar dringend benötigte
Beschränkungen in der Armeeauswahl genutzt werden können.
In etwa sowas wie: Blutdrachen haben mehr Elite-Einheiten (Black Knights und shit), aber dafür tendenziell weniger taktische Elemente (wie Ghouls etc.). Und haben dazu limitierten Zugang zu Nekromanten/Magie.
Eine limitierte Armeekomposition wäre der Schlüssel gewesen - statt den Charakteren einfach alle möglichen goodies und buffs hinterherzuwerfen, ohne jegliche (nennenswerte) Konsequenzen für die Armeezusammenstellung.
Nunja.

Eine weitere verpasste Chance stellt die Marschbewegung dar.
Zwar haben die Designer versucht, die Abhängigkeit der rottenden Toten von ihren finsteren Herrschern noch weiter zu fokussieren, indem sie Marschbewegungen von untoten Truppen auf eine bestimmte Nähe zum General limitierten.
Aber diese Maßnahme greift meines Erachtens nach noch nicht weit genug.
Matter of fact wurden viele der Truppen eh bereits so designed, dass sie nur bedingt von Marschbewegungen profitieren würden: Ghoule, Vampirfledermäuse, Einzelmodelle zu Fuß sind sowieso schonmal nicht betroffen....und sämtliche Fußtruppen brauchen die zusätzliche Mobilität ebenfalls nicht - also was' der handel, Games Workshop?
Tja. Ich weiß es auch nicht.
Eine weitere Verschärfung der Nicht-Marschieren-Regel wäre nötig gewesen. Sowas wie: Nur Einheiten, in denen sich Charaktere befinden, dürfen Marschieren. Oder eben eine drastischere Verringerung der Marschbewegungs-Reichweite, zB auf 6 Zoll.
Man hätte in dem Zusammenhang zB die Flieger-Bewegung auf eine Boden-Bewegung beschränken  können, wenn außerhalb der Reichweite zum Armeegeneral, und und und.

Die "Kein-Marschieren"-Sonderregel, wie sie es letzlich in der Armeebuch der 6. Edition geschafft hat, ist eine absolut zahnlose (nopun) Maßnahme - denn die einzige Einheit die sich wirklich um diese Regel schert, sind Black Knights. Und auch die betrifft es nur dann wirklich, wenn man etwa 2 große Einheiten an unterschiedlichen Flanken aufstellen würde. Ansonsten kein wirkliches Problem. Lame af.

So.
Das war's dann auch wieder.
Vampire und alles was mit ihnen zu tun hat sind in der 6. Edition leider zu stark gewesen. Case closed.

Klar - all diese ausführlichen Betrachtungen tun im Jahr 2021 niemandem mehr wirklich was. Ist mir nicht entgangen!
Aber immer wieder wenn ich im Internet so ambitionierte "top-tier"-Rankings der Armeen von damals sehe...werd ich sauer. Denn viele vergessen die guten alten Vampire.
Ich bleibe weiterhin dabei, dass Vampire die am einfachsten zu spielende (weil most forgiving) und für die Gegenseite am schwersten zu besiegende Armee (weil s.o.) der 6. Edition sind, Punkt, aus, basta.

So, jetzt reicht's auch wieder. Aber goile Mark Gibbons Meisterwerke, oder? Hatte nicht auf dem Schirm wie viele Illustrationen er für die Untoten tatsächlich angefertigt hatte. Und hier fehlen sogar noch 1,2 Bildchen. cray.

Tschö!













Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen