Samstag, 11. Februar 2012

Superzarte Wellness-Heringsfilets aus der Dose...

OK, Freunde...es wird mal wieder Zeit für nen hammerhart recherchierten Produktbericht - sry, Appel!

Ich stand letztens ratlos vor meinem leeren Kühlschrank (aka ich hatte Hunger), als ich mich daran erinnerte, dass ich ja noch tonnenweise diese superleckeren Heringsfilet-Dosen im Schrank liegen habe.
Von den Dingern hab ich über die Monate/Jahre ne ganze Menge angehäuft, weil meine mitdenkende Omma (props an dieser Stelle) mich relativ regelmässig damit versorgt...ohne dass ich dagegen jemals ankommen könnte.




Hungrig wie ich war, freute ich mich über die große Auswahl an verschiedenen Heringsfilet-Konserven mit unterschiedlichsten Soßen und Geschmacksrichtungen.
Von klassischer Tomatensoße, Paprikasoße, Senf-Ei-Soße bis hin zu Champignonsoße war einiges dabei - da entdeckte ich mit Entsetzen eine Dose mit Mango/Curry Soße.

Nun bin ich nicht per sé ein Gegner von exotischeren Soßen zum Heringsfilet - ganz im Gegenteil: Die Mango/Curry-Soße sollte sich sogar als vergleichsweise schmackhafte Version herausstellen...
...nein, das an diesem Produkt lächerliche war die Aufmachung:



.....What tha frick?!?!
Ok, liebes Appel-Design-/Marketingstudio, herzlichen Glückwunsch: Ihr habt tatsächlich endlich den nie versiegenden Geldquell Namens Wellness-/Gesundheits-Hype entdeckt! Bravo!

Die Verquickung liegt für euch vielleicht auf der Hand: Mango...Curry...Exotik...Indien...gelangweilte Hausfrauen...Wellness...Healthcare...Harmonie - passt!

Was ihr bei der Vermarktung über die Wellness-Schiene nicht bedacht habt, ist euer Produkt.
Ihr verkauft einem hier eine schnöde, klassische Konservendose...mit stinkendem, unschön aussehendem C-Klasse-Fisch als Inhalt, der in einer ungesund und künstlich aussehenden Grütze schwimmt.
Ob Ihr's glaubt oder nicht: Euer Konsument weiß das.

Er weiß, dass euer Produkt lumpige, minderwertige Fließbandware ist; er weiß auch dass sich, spätestens nach dem Öffnen der Dose, ein durchdringender Fischgestank in seiner Küche (Wohnzimmer? Schlafzimmer??) ausbreiten wird - er nimmt dies nur aufgrund des a) niedrigen Preises eures Produkts, und b) aufgrund der nicht zu knapp enthaltenen Geschmacksverstärker in Kauf, die beim Verzehr über die Schäbigkeit des Produkts hinwegtrösten.

Nach diesen bildlichen Ausführungen stellt sich die Frage: Was soll das Geschwafel von "zarte Heringsfilets[...]" , von "Wellness" und, am kuriosesten, von "Harmonie" , for fucks sake!?!

Das sind so ziemlich die letzten Attribute, die ich mit diesem Produkt zuschreiben würde - da könnt ihr noch so viele stilisierte Strichmännchen (die natürlich immer super-duper-Wellness verheißen) und Wellness-Farben sowie Wellness-Fonts in eurem Design verwenden....So geht das nicht!

Es gibt einfach Produkte - und das kann sich mal die gesamte Werbeindustrie hinter die Ohren schreiben - die man nicht über beliebige etablierte Werbemethoden vermarkten kann.
Keine Mitte-50-Karrierefrau, die über ein geregeltes solides Einkommen verfügt, in ihrem Leben mehrere Yoga- und Töpferkurse belegt hat und ihr Brot selber backt, wird durch eure Pseudo-Wellness-Kampagne dazu verführt werden, eure stinkigen Fischkonserven zu kaufen, sry.

Im Unterschied dazu gibt es natürlich einige Produkte, bei denen eine "Gesundheits-/Wellness-/Bio-Vermarktung" kurioserweise ohne weiteres funktioniert - (Zusatzstofffreier) Tabak wäre da so ein prominentes Beispiel.
Aber da reicht ein Blick auf die potentielle Käuferschicht, und die Sache wird klar: Zigaretten/Tabak werden schicht- und milieuübergreifend konsumiert - Den unvermögenden, wenig anspruchsvollen Raucher kümmert die dezidierte Werbekamapgne seines Genußmittels nicht, und für denjenigen, dem Attribute wie "Bio" , "wenig Zusatzstoffe" usw. bei seinen Rauchwaren wichtig sind, der freut sich darüber - win/win-Situation.

Bei dem Konservenfisch verhält sich das ganze eklatant anders: Hierbei handelt es sich um ein niedrigpreisiges und vergleichsweise minderwertiges Lebensmittel, welches gar nicht erst von der oben beschriebenen "Bio"-Käuferschicht als vertretbar eingestuft wird. Diese Käuferschicht existiert für das Produkt schlicht und ergreifend nicht.
Was soll also der ganze Aufwand?
Das Ergebnis der Kampagne ist, dass der reguläre Fischkonservenkäufer (ich nehme mich hier mal als Beispiel) verwirrt und irritiert wird, da er bereits aus Erfahrung mit anderen Lebensmitteln gelernt hat, dass die "Wellness/GesundGesund/BioBio"-Versionen häufig einfach nicht das leisten, was er üblicherweise von Produkten erwartet (siehe hierzu ungefähr alle Milcherzeugnisse mit "Light-" und "weniger Fett"-Etiketten etc., Diät-Produkte, fettarme Chips usw.).

Das Ende vom Lied: Die Mango/Curry-Heringsfilets werden gemieden.
Was eigentlich schade ist, da sie gar nicht so verkehrt schmecken.

Aber im Ernst...in Bezug auf Fischkonserven einfach eine Ehrlichkeitsoffensive viel angebrachter. Kein Schnickschnack, keine besonderen Deko-Elemente auf der Verpackung, keine falschen Versprechen.
Appel hat diese Forderungen interessanterweise bei den Klassikern - wie z.B. Heringsfilets in Tomatensoße - durchaus berücksichtigt:



So einfach kann's gehn.

Die Firma Hawesta hat übrigens meiner Meinung nach die derzeit ehrlichste und am wenigsten Intelligenz-beleidigende Aufmachung ihrer Konserven; komplexe Gemisch-Würzungen/Soßen werden der Einfachheit halber mit einer bestimmten Nationalität verknüpft, um die entsprechenden Assoziationen beim Käufer zu erwirken. Keine Effekte, kein Bullshit, kein pseudo-getue nötig: Jeder kann sich gut vorstellen, wie "Mexiko-" oder "China"-Sauce schmecken wird:

So wird's gemacht, Appel!

peace Freunde, und ums mit den Worten eines dicken, rothaarigen Mannes zu sagen: Bon Appetit.....Bitch!!!

4 Kommentare:

  1. Heringsfilets in Tomatensoße aufs Brot
    - real as it gets!

    Word.

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  2. also erstens: doch, man kann jedes produkt zum wellness produkt machen durch fonts fans und freaks.
    aber jo is doch logisch, niemand soll ernsthaft glauben, dass das wellness is und es soll auch keine typischen salat-fresser-käufer anziehen, sondern den omis, die sich das zentimeterdick aufs brot machen einfach ein besseres gefühl geben, weil sie auch an diesem total modernen und schlauen trend mitmachen.

    selbes gilt für den bio-tabak. das rauchen wird nicht besser
    und ist bestimmt nicht "well", aber das gewissen ist etwas beruhigt. so wie katjes joghurtgums. ja ok, sie haben vielleicht weniger zucker aber dafür genau so viel fett wie anderer süßkram. oder wars so viel zucker aber weniger fett? kein plan.

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  3. klar, du hast absolut recht mit allem - nur ich hab mich halt gefragt, wessen Gewissen hier beruhigt werden muss, da die Käuferschicht halt eingeschränkt ist, nameen? Meine These war halt, dass die Leute, deren Gewissen beruhigt werden könnte, sowieso straight an dem Regal vorbeigehen.
    Insofern ist deine Aufführung der älteren Leute durchaus ein neuer Punkt für mich: Die hatte ich nicht auf dem schirm. Die kaufen ja sowas schon mal (siehe meine Omma, bei der aber natürlich die sorten-auswahl komplett zufällig erfolgt...). Kann schon sein, dass die dann über diese Vermarktung die Chance wittern, sich "modern" fühlen zu können, oder whateva. hm. Das ist wirklich ein guter punkt.

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