Ihr habt gedacht ich mach das nicht, hm?!
Think again, fuckheads!
Wenn ich im Stande bin, einen investigativen Artikel über Meli von Skills En Masse zu verfassen, ohne meine Street-Credibility ernsthaft zu gefährden, sollte das hier ein Kinderspiel werden, Freunde...
Also: In dieser Plattenkritik soll es tasächlich um "The Carnival", das Solo-Debut des Fugees Frontmanns Wyclef gehen. Ein damals (wie heute wahrscheinlich auch) in Nerdcore-Backpacker-HipHop-Kreisen bestenfalls belächeltes Album...aber vielleicht nehme ich durch solche wertenden Aussagen bereits zu viel vorweg; deshalb, und um uns alle mal ein wenig einzustimmen, hier zunächst das sehr cleane Cover dieses Werks:
OK, was dem geschulten Auge sofort auffällt:
Dieses Cover sieht mehr nach dem Set eines Photoshoots für ein random-Lifestyle-Magazin aus als nach dem Cover eines Hip Hop Albums:
Die Farben (Blau/Weiß) wirken steril und schreien nicht gerade "boom-bap" - um's mal diplomatisch auszudrücken. Auch das Motiv und der Gesamteindruck lassen wenig Rückschlüsse/Verknüpfungen auf/mit den Albumtitel zu. "Carnival" geht irgendwie anders, möchte man meinen...
Des weiteren fällt mir - als jemandem, den sowas für gewöhnlich eher weniger interessiert - auf, dass kein üblicher "Parental Advisory"-Sticker das Cover ziert. Hm. Dazu später vielleicht mehr.
Zur Verteidigung des Covers sollte man vielleicht erwähnen, dass in bestimmten jiggy- und pop-nahen Kreisen Ende der 90er kalte, steril wirkende Cover als der letzte Schrei galten (für beispiele hier, hier oder hier klicken...); insofern kann man dieses Album also durchaus in der Tradition anderer HipHop-Alben mit mehr oder weniger berechtigten Charts-Ambitionen sehen.
Jau, aber nun zum Album selbst. Wieso beschäftige ich mich eigentlich mit derartigem Mist?
Naja, ...ich hab vor einiger Zeit - aus Spaß, Leute!!! - nach dem "Gone Till November"-Track gesucht, um eine Passage daraus irgendwo zu verwursten. Zackzack - Album runtergeladen...spaßeshalber durchgehört...there you go. Deshalb dieser Artikel.
So, aber um das hier nicht zu einem einseitigen Brainstorming verkommen zu lassen, sondern etwas Interaktivität zu simulieren, gibt's hier mein bereits in anderen Reviews etabliertes Album-Snippet zu hören; vielleicht lasst ihr das einfach beim lesen durchlaufen, damit ihr nen guten Eindruck vom Album bekommt:
[ich habe für dieses Snippet mit Absicht nicht nur die reinen "HipHop"-Tracks zusammengefasst, weil ich es für wichtig hielt zu erkennen, wie sich die poppigeren bzw. gesangs-lastigeren Tracks in das Gesamtkonzept einfügen.]
Jo. Das Album bietet schon beim Betrachten der Tracklist und beim ersten "durchskippen" einige Auffälligkeiten, so befindet sich zum Beispiel eine vergleichsweise große Menge Skits oder Interludes auf dem Album. Sicher, einige dieser kleinen Schnipsel erscheinen vom Inhalt her ziemlich Überflüssig, und auch das allgemeine "roter Faden"-Konzept dieses Albums - eine Gerichtsverhandlung, in welcher Wyclef sich gegenüber den Vorwürfen, ein "Player" zu sein, verantworten muss... - hinterlässt einen ziemlich faden (weil viel zu oft gehörten) Beigeschmack, aber:
Der zweite Aspekt, der beim ersten Hören auffällt, nämlich die musikalische & inhaltliche Vielfalt, kommt erst durch diese kleinen Einspieler und Musik-Pausen richtig zur Geltung.
Wenn zwischen bestimmten Abschnitten des Albums kein Skit oder Interlude platziert worden wäre, fühlte sich der geneigte Hörer womöglich an einigen Punkten ob der immer wieder wechselnden Stimmung oder Geschwindigkeit überfordert.
Und an Stimmungs- und Geschwindigkeitswechseln fehlt es "The Carnival" sicherlich nicht. Um genau zu sein, liegt in diesem Punkt meiner Meinung nach auch die große Stärke des Albums und auch Wyclefs als Künstler.
Dieser Aspekt wiederrum erklärt wahrscheinlich auch den Titel "The Carnival" (...auch wenn durchaus die Möglichkeit besteht, dass Wyclef sich auf eine Kurzgeschichte mit dem selben Namen bezieht...)
Ein weiterer sehr positiv auffallender Aspekt ist die für damals ungewohnte Homogenität im Produktionsbereich.
Zu Zeiten, in denen es absolut en vogue ist, sein Album mit den gerade Angesagten Produzenten-Größen zu bestücken, ähnlich einer Katalog-Bestellung...ist "The Carnival" eine angenehme Abkehr von dieser Methode, in dem Salaam Remi, Jerry Duplessis & Wyclef selbst für so ziemlich alle Songs verantwortlich zeichnen.
Dasselbe gilt übrigens für das 1 Jahr zuvor erschienene, mega-erfolgreiche "The Score"-Album der Fugees, auf welchem dasselbe Produzententeam wirkte.
Durch diese vorgehensweise wurde bei "The Carnival" insgesamt der Effekt erzeugt, dass sich die Tracks trotz unterschiedlichster Genres und Subgenres, Tempi und Stimmungen immernoch "wie aus einem Guß" anhören, was definitiv zum Hörvergnügen beiträgt.
Wyclefs Inhalte decken ein ebenso breites Spektrum ab: Von klassischen Battle- oder Braggin-Texten bis hin zu aufwendigem Storytelling ist eigentlich alles dabei.
Dabei sehe ich Wyclefs größtes Geschick definitiv im Umgang mit letzterer Disziplin; Immer, wenn Clef den "Hood-Reporter" mimt, eine Art Sprachrohr und Nachrichtensprecher der Ghettos/Unterdrückten/Wasauchimmer, kommt er am überzeugendsten rüber. Für typische Battle-Texte reichen seine Fähigkeiten als Rapper schlicht nicht aus, und auch seine Delivery ist für derartiges wesentlich zu "relaxed" und sloppy...aber auf Tracks, in denen er - immer mit dem ihm immanenten ironischen Unterton - den "Wutbürger" kanalisiert und schlimme/ändernswerte Zustände beschreibt, liefert er definitiv überzeugend ab.
Das "Ladiesman"-Image ist eine weitere Facette von Wyclef...zu der ich allerdings nicht viel sagen kann, was Authentizizät und Überzeugungskraft dieser Figur angeht...(wobei ich mir schon vorstellen kann, das Clef so auf Teddybär/Kumpel- oder auch Charmeur-Ebene durchaus bei Frauen hoch im Kurs stehen könnte).
Nun kann natürlich kein "Carnival"-review komplett sein ohne einen Verweis auf den absoluten Mega-Erfolg von "The Score", und so will ich diesem Ereignis, und vor allem dessen Auswirkungen auf dieses Album auch kurz mit ein paar Zeilen Rechnung tragen:
Es wäre ein leichtes für einen Schreiber & Produzenten vom Kaliber eines Wyclef gewesen, den Erfolg von "The Score" zu duplizieren oder zumindest davon zu profitieren, indem er ein "The Score 2.0" oder sowas in der Art herausbringt...
Wyclef hat sich auf seinem Solodebut gegen diese Variante entschieden...(...)...kind of.
Werfen wir für diesen kritischen Punkt noch einmal einen Blick auf das Cover; was erkennen unsere blutunterlaufenen Augen da direkt im Albumtitel!??! - "featuring Refugee Allstars" ...hm.
Da scheint wohl jemand nicht unbedingt vom eigenen Solo-Erfolg überzeugt gewesen zu sein.
1 Jahr nach "The Score" ist es natürlich business-wise eine vernünftige Entscheidung, den Verweis auf die Fugees-Zugehörigkeit hervorzuheben, aber c'mon man...das war eigentlich überhaupt nicht nötig.
Und genauso unnötig waren eigentlich auch die Pras/Forté/Hill-features auf dem Album...: Die ersteren beiden braucht eh kein Mensch, und L-Boogie klingt auf ihren feature-verses so dermaßen uninspiriert und gelangweilt, dass man sich diesen Auftritt auch lieber hätte sparen können. seriously.
Eine weitere Lektion, die Clef offensichtlich aus dem Fugees-Erfolg gelernt hat, ist der Einsatz von Coverversionen oder zumindest Hiphop-technisch fragwürdigen Samples.
Staying Alive!? Are you serious bro!?
Selbst der damalige Puff Daddy hätte sowas allenfalls mit "cheesy!" kommentiert. oder so.
Das Drama nimmt weiter seinen Lauf, wenn man sich die meiner Meinung nach wirklich ungünstig gewählten Single-Auskopplungen anguckt:
Wyclef Jean - Guantanamera von lilmarcus
Wyclef Jean - Gone Till November von lachula
Das is natürlich sone Sache....da hat der gute Wyclef natürlich genau diese oben angesprochenen corny-Nummern als Singles veröffentlicht, und alle FatJoe- und Canibus-Cameo-Auftritte der Welt konnten ihn mit derartigen Singles nicht davor schützen, dass er von Hip Hop Headz auf der ganzen Welt mit sofortiger Wirkung ignoriert wurde.
Hm.
Das ist eigentlich wirklich schade.
Denn so ziemlich jeder - auch der nerdigste Backpacker - wird nach Anhören des Albums zustimmen, dass Wyclef mehr kann als billige Aufgüsse altbekannter Melodien und chartstaugliche Popmusik der schmierigen Sorte.
Aber aus heutiger Sicht betrachtet muss man eh feststellen, dass diese ganzen Kategorisierungen relativ sind/waren:
Hört euch einen Track wie "Guantanamera" mal aufmerksam an...in der heutigen HipHop-Welt würde das schon als ein hardcore-Song durchgehen, wenn man ehrlich ist. Boom-Bap Mucke mit Scratches...was genau will man mehr!? Eben.
Naja aber damals ging das halt gaaaar nich, klare Sache.
Ok Ok, ich seh schon...das driftet hier wieder in philosophische, bzw. historisch-vergleichende Gefilde ab, und das kann nichmal der hartgesottenste Leser lange verkraften, also komm ich schnell noch zum Urteil:
4 motherfucking Del Rios von 6. Mehr als fair, wie ich finde. Ich denke 1997 hätte ich dem Album ungefähr nen halben Del Rio spendiert, so sehr ging die Musik auf dem Album mit meinem damaligen Verständnis von vernünftiger Hip Hop Musik auseinander.
Heute finde ich das Album sehr, sehr unterhaltsam. Das Ding macht auf jeden Fall Spaß und geht einem auch nur erstaunlich schwer wieder aus dem Kopf (Ohrwürmer 4 days...). Die angesprochene Vielfalt sorgt für eine hohe replay-value, was nicht verkehrt ist.
Yo, alles klar, das war's für dieses Mal, ...viel Spaß damit...und nich vagessn: Kommentieren, Widersprechen, Ergänzen, Korrigieren --- alles erlaubt!
Peace, bis denne.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen